Bicicletta da Corsa - Numero Diciotto

pagina #24 www.biciclettadacorsa.de Boden mitgerissen wurde, sah ich, dass etwas mit meinem Körper nicht stimmte. Mein rechtes Bein war total ge- schwollen. Zusammen mit dem Team habe ich beschlos- sen, beim Giro trotzdem an den Start zu gehen, weil die erste Woche nicht ganz so hart ist und ich auf eine Gene- sung hoffte. Vielleicht war aber eine Woche einfach nicht genug, um mich von diesem Sturz zu erholen.“ Monate nach dem Giro erzählt er in Interviews, dass er das Rennen „mit meiner Motivation und Moral komplett am Boden“ beendet hatte. Auf die Aussage angesprochen, muss er lachen. Die Enttäuschung hat er hinter sich gelas- sen. Er erklärt sich und seinen damaligen Gemütszustand, wirkt dabei aber stets wie jemand, der sich an der Zukunft orientiert. „Ich war so traurig, weil ich so hart trainiert hatte und mich wirklich auf den Giro konzentriert habe. Ich habe lange in den Bergen trainiert und mich nur darauf konzen- triert. Kurz vor dem Giro hatte ich dann den Sturz und dieses Problem und ich denke, dass ich dadurch im ersten Abschnitt der Saison sehr eingeschränkt war.“ Aber das war letztes Jahr. Der 100. Giro d’Italia wird für jeden Italiener auf der Startliste ein Rennen von unermess- licher Bedeutung darstellen und der junge Venezianer freut sich schon sehr darauf, sein Rennrad im Mai auf Sardinien ins Rollen zu bringen. Dabei wird er das Wissen, das er sich als Helfer von Andrew Talansky letztes Jahr während der Vuelta a España angeeignet hat, im Hinterkopf behalten. Es sagt einiges über den Charakter Formolos aus, dass die dritte Grand Tour der Saison, bei der er Talanskys Helfer war, für ihn zu den Highlights des Jahres 2016 zählt; und das trotz einer Platzierung unter den besten fünf bei der Tour de Pologne, eines eindeutigen Anzeichens für sein un- bestreitbares Talent. „Ich habe viel von Andrew gelernt – vor allem davon, dass ich in entscheidenden Momenten bei ihm war. Manchmal leuchtet einem etwas nur ein, wenn man sich in der Nähe eines Profis aufhält. Zuerst sieht man zu und dann lernt man das, was man beobachtet hat, auch zu beherrschen. Sieht man aber nicht zu, kann man auch nichts lernen. Ich habe Andrew unterstützt; aber für mich hat es auch dazu beigetragen, erwachsen zu werden. Wenn man manchmal erschöpft ist, könnte man geradezu an die Decke gehen, aber ich sagte mir ‚Bleibe noch 10 Minuten hier, dann geht es wieder besser‘.“ Davide Formolo ist ein junger Mann, der täglich besser wer- den will in dem, was er tut. „Meine Rolle im Team? Einfach mein Bestes zu geben!“ Diese Saison strebt er vor allem eine Verbesserung seiner Fähigkeiten beim Zeitfahren an. Beim „Rennfahren der Wahrheit“ geht es darum, seine Kraft rich- tig einzuteilen. Das wirkt beinahe wie die Antithese des ita- lienischen Radprofis, seiner Impulsivität, seines Elans und Stils. Formolo selbst beschreibt diese Herausforderung mit klareren Worten. Er ist sicher, dass es lediglich eine Frage der Positionsoptimierung auf dem Rad ist. Er hebt vor allem seinen Teamkollegen Sebastian Langeveld für seine vielen guten Ratschläge heraus, die er manchmal über Funk- spruch erhält (es sieht ganz danach aus, dass der erfahrene Niederländer alles Zeug zum sportlichen Leiter hat). „Von Sebastian kann ich noch einiges bezüglich der Krafteintei- lung beim Zeitfahren lernen, weil er sehr professionell ist. Unter anderem mit seinen Funksprüchen konnte er mir wirklich weiterhelfen. Er sagte Dinge wie ‚Okay und jetzt konzentriere dich auf deinen Rhythmus. Jetzt fährst du ein bisschen zu schnell. Jetzt kannst du langsamer werden.‘“ Zurzeit trainiert Davide Formolo sehr viel Zeitfahren. „Ich habe ein paar Tests auf dem Zeitfahrrad durchgeführt und wir haben versucht, meine Position zu optimieren. Beim Zeitfahren gibt es keine Regeln. Jeder fährt anders. Sieht man den drei besten Zeitfahrern zu, erkennt man, dass alle eine andere Position am Fahrrad haben. Man möchte eine Position finden, bei der man ein gutes Gefühl hat. Wir wer- den nicht aufhören diese Position zu suchen bis wir sie ge- funden haben. Manche haben Glück und finden ihre richtige Position beim ersten Mal. Andere müssen es zehn Mal versuchen.“ In Formolo steckt ein natürlicher Optimismus, von dem ihn auch das Alter nicht abbringen kann. Sein Glas ist immer halbvoll – was mit 23 Jahren nicht sehr schwierig ist – aber sein Temperament macht ihn zu einem beliebten Teammit- glied, unabhängig von Nationalitäten. Formolo war seit Be- ginn seiner Profikarriere Mitglied des Cannondale Teams. Obwohl der Betreiber des Teams nicht mehr derselbe ist und die Mannschaft immer internationaler ausgerichtet ist, hält er daran fest, dass es sich immer noch wie zu Hause anfühlt. „Ich bin seit drei Jahren Teil des Teams und fühle mich hier sehr wohl. Für mich ist es toll die anderen Fahrer kennen zu lernen und zu sehen, wie woanders, abseits der italienischen Rennradtradition, gearbeitet wird.“ Entspre- chend seiner optimistischen Einstellung sieht er in der wachsenden Zahl amerikanischer und australischer Mit- glieder eine gute Möglichkeit, sein Englisch zu verbessern. „Wenn ich jetzt mit den Männern spreche, fühle ich mich wohl. Beim Essen kann man besser miteinander herumal- bern oder über wichtigere Themen sprechen, als auf dem Fahrrad.“

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