Bicicletta da Corsa - Numero Diciotto
pagina #32 www.biciclettadacorsa.de Fotos: Sean Hardy & Oliver Kremer | Text: Timothy John – Übersetzung: Andreas Kern DENISE SCHINDLER "Hinfallen bedeutet nicht, dass ich liegenbleibe" Von einigen wenigen Menschen sagt man, dass sie einen Raum erhellen, wenn sie reinkommen. Denise Schindler (31) ist so eine “Lichtgestalt”. Sie ist lustig, selbstbewusst und sprüht vor Energie. Und sie ist erfrischend hemmungslos, über Behinderungen im und außerhalb des Sports zu sprechen. Für die Paralympics-Siege- rin aus der Nähe von Regensburg gibt es da keine Tabus. Da ist keinerlei Zurückhaltung zu spüren, wenn die unterschenkelamputierte Denise Schindler von den Paralympics 2012 in London erzählt. Und davon, dass dieses Großereignis die öffentliche Wahrnehmung grundlegend geändert hat. Nicht nur die gegenüber Athleten mit Behinderung, sondern vor allem die gegenüber Menschen mit Behinderung. Ihr Motto: Jeder hat das Recht, sich attraktiv und selbstbewusst zu fühlen. Und ihr Mantra: Wer etwas im Leben leistet, wird auch dafür belohnt. Hört sich nach rosarotem Berufs- optimismus an. Man nimmt’s ihr aber ungefragt ab. Denn sie gibt auch unumwunden zu, dass das Leben nicht immer nur hell glänzt. Misserfolg und Niederlagen gehören genauso dazu. Aber nur wer die dunklen Momente mit der gleichen Energie wegstrampelt wie die hellen, weiß, was Denise meint. “Ich zeige den Menschen, was hinter den Kulissen vor sich geht”, sagt sie über ihre Vorträge und Mo- derationen. Für ihre Workshops, mit denen sie an- dere Menschen inspirieren und motivieren möchte, ist Denise in der Zwischenzeit fast ge- nauso bekannt wie für ihre sportlichen Erfolge. “Jeder Mensch fällt einmal hin. Auch ich. Der springende Punkt ist: Hinfallen bedeutet noch lange nicht, dass ich liegenbleibe. Viele versu- chen es aber nicht einmal. Sie sagen einfach nur: “Ich kann nicht aufstehen.” Ich will Menschen dazu bringen, wieder aufzustehen. Einmal aufge- standen, sind sie auf dem richtigen Weg. Und es geht wieder weiter. Aber der erste Schritt ist und bleibt der schwierigste.” Mit Denise als “Guide” ist das Aufstehen erst der Start. Ihre Projekte sind nicht nur Ausdruck un- fassbarer körperlicher und psychischer Leis- tungsfähigkeit, sondern auch unbezahlbare Inspiration für Gefallene, Aufstehende und Los- laufende. Ihre neueste Gewalttour startete am 25. Juni im Allgäu, dem südlichsten Zipfel Deutschlands. De- nise Schindler und der ebenfalls beinamputierte Martin Hutter sind als das erste beinamputierte Mixed-Team in die Geschichte der Tour TransAlp, dem härtesten Teamrennen der Alpen eingegan- gen. Vom paralympischen Vierjahresrythmus mental ausgelaugt, merkte Denise, dass sie etwas ändern musste. Ein neues Projekt, eine neue Herausforderung nach dem olympischen Hamsterrad. “Die Tour TransAlp ist wie ein wahr gewordener Traum für mich.” Auch wenn die Zeiten der Kontemplation auf einer fast 900 Kilometer langen Alpenrennen mit satten 18.000 Höhenmetern rar gesät sein werden… Die Entscheidung, am vielleicht härtesten Team- rennen Europas teilzunehmen, kam jedoch nicht aus dem Bauch. Sie rang lang und ausdauernd mit sich selbst, auf einer Art “Seelensuche” in Südafrika. “Ich flog für einen Monat nach Süd- afrika, um zu trainieren. Dort hörte ich in mei- nen Körper und mein Inneres hinein. Bin ich reif für die Tour TransAlp? Will ich wirklich so viele Stunden im Sattel sitzen? Oder brauche ich eine längere Pause als früher, um mich von den Olym- pischen Spielen zu erholen?” Für Denise war die Entscheidung eine innere Notwendigkeit. Ein neues Ziel, das nach vier Jah- ren Fokus auf die Paralympics ihren Kampf- und Wettkampfakku wieder neu auflud.“ Es ist ein- fach nur großartig, ein neues Ziel vor Augen zu haben. Eines, das mich echt herausfordert.“ Als die Entscheidung nach langem inneren Kampf schließlich gefallen war, dachte sie: “Okay, mit wem nehme ich dieses Rennen in An- griff?” Der erste Name, der ihr in den Sinn kam, war Martin Hutter. Also schickte sie ihrem Teil- zeit-Trainingspartner nach ihrer Rückkehr eine SMS. Auf Begrüßungsfloskeln wie “Hi Martin, wie geht’s?” verzichtete sie schlichtweg und kam ohne lange zu fackeln gleich zur Sache: “Machen wir beide die Tour TransAlp. Fragezeichen, Smi- ley.” Seine Antwort: “Du lässt zwei Monate nichts von dir hören und fragst mich jetzt per SMS? Aber, klar, ich bin dabei!” That’s it. Denise und Martin hatten sich in einem Trai- nings-Camp auf Mallorca kennengelernt. Man tauschte Trainingserfahrungen mit anderen kör- perbehinderten Sportlern aus. Und nebenbei war das Prothesenthema für beide ein spannendes … Normalerweise dominiert das übermächtige ADVERTORIAL
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